Marco Jorge Rudolph

Wohnzimmer live im Piepenstock

Ruhrnachrichten 13.2.2024

Ein Artikel von Dietmar Bock in den Ruhrnachrichten vom 13.2.24

Seit zehn Jahren ist Marco Jorge Rudolph in Hörde der Kulturwirt schlechthin,inzwischen im „Wohnzimmer Im Piepenstock“. Ein Blick zurück und nach vorn.

Im „Haus Rode“ am Hörder Neumarkt machte sich Marco Jorge Rudolph (61) einen Namen, seit fünf Jahren ist er nun im „Wohnzimmer Im Piepenstock“, kurz W.I.P., am Piepenstockplatz „zu Hause“. „Das hier ist jetzt meine Inszenierung“, sagt der Schauspieler, der kreativ und künstlerisch sehr vielseitig ist.

Als Schauspieler bevorzugt er tragisch-humorvolle Rollen. Darüber hinaus betätigt sich der 61-Jährige als Regisseur, Musiker und Sänger in diversen Bands. Gesanglich steht er als Tenor und Bariton in Musicals auf der Bühne, interpretiert aber auch Klassik-, Jazz-, Pop- und Rock-Songs. Marco Jorge Rudolph ist dabei genauso breit aufgestellt wie sein Programm im W.I.P. Nur das mit der Selbstinszenierung im „Wohnzimmer“ ist nicht wörtlich zu nehmen. Nicht er steht im Mittelpunkt des Programms des urigen wie bunten Lokals, sondern seine zahlreichen Gäste. Rudolph selbst sorgt unterdessen für das leibliche Wohl: Hausmannskost und Getränke.

In Verbindung seiner kulinarischen und musikalischen Passion tritt der Kulturwirt als „Singender Koch“ mit deutschem Liedgut und Jazz-Standards in Kulturräumen auf – gelegentlich auch auf der eigenen Bühne, wenn er ein Lied mit den Künstlerinnen und Künstlern singt.

Zweimal in der Woche, meist freitags und samstags, lädt er unter dem Motto „Eintritt frei, Hut dabei“ zu Events ein, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Vom „Offenen Mikrofon“, bei dem jeder an jedem ersten Donnerstag im Monat singen und musizieren kann, über Singer/Songwriter, Rock-, Pop-, Soul- und Jazz-Formationen bis hin zu Lesungen und Theaterstücken, ist alles dabei. Bunter geht es kaum. Günstiger auch nicht. „Es wird kein Eintritt verlangt, nur der Hut geht rum“, lautet das einfache Motto, bei dem jeder Gast den Obolus selbst bestimmen kann. „Wenn es für die Künstler gut läuft, kommen wir in der Spitze auch schon mal auf 400 bis 500 Euro am Abend.“

Bunt ist es ebenfalls im Inneren der urig gemütlichen Kultur-Kneipe, die nur an Veranstaltungstagen ab 18 Uhr geöffnet ist. Um 20 Uhr starten die Events. Rüdiger Philipp ist dann präsent. Der Hörder Musiker und Maler, der Rock, Blues und Jazz intoniert und digital abstrakt malt, stellt derzeit im W.I.P. einige sehr sehenswerte LED-Bilder aus, die als poppiges Ambiente die Vielfalt des Kulturraums unterstreichen.
Rüdiger Philipp war es auch, der Marco Jorge Rudolph an den Piepenstockplatz und damit in die Nachbarschaft seines Ateliers holte. Beide verbindet eine jahrelange Freundschaft und eine ehemalige Bandzugehörigkeit. Jetzt sind sie sich künstlerisch wieder sehr nah, spielen zudem in unregelmäßigen Abständen gemeinsam; wie Rudolph auch mit Guido Schlösser in der Mini-Rock-Band „Systemlieferant“.
Immer wieder neue Formate

Mit seinen umfangreichen Verflechtungen im Kunstbetrieb, die durch die Bremer Agentur „Songs & Whispers“, dem weltweit tätigen Live-Musiknetzwerk, unterstützt werden, stellt Hördes Kulturwirt immer wieder neue Formate auf die Beine.
In der Pandemie, in der die Kultur am Boden lag, produzierte er unter dem Titel „Viertel-Stündchen“ Youtube-Filme, in denen er jeweils zwei Bands aus dem Quartier in Interviews und beim Musizieren vorstellte.

Auch einen digitalen „Event-Kalender“ initiierte der umtriebige Kulturschaffende im Advent. An 24 Tagen präsentierte er, verkleidet als Weihnachtsengel, täglich über zwei Stunden ein bis drei Bands vor dem als Hintergrund eingeblendeten Adventskalender-Blatt und stellte die Filme auf Youtube und diversen sozialen Netzwerken ein.
Nach Lockerung der Corona-Beschränkungen bot Rudolph im Garten seines Wohnzimmers Open-Air-Veranstaltungen mit maximal 20 Gästen an. Wesentlich mehr los war bei „Umsonst und draußen“ auf großer Bühne vor dem Piepenstock. „Das ‚Piepenstock aus dem Häuschen‘ war schon ein immenser Aufwand“, blickt er zurück und sogleich wieder nach vorn.

Beim Hörder Brückenfest Anfang Juni 2024 wird er wieder draußen mit dabei sein. Unter dem Motto „Come together“ sollen drei Bands an drei Orten für jeweils 20 bis 30 Minuten spielen und dann zum nächsten Ort wechseln. Neben dem „Wohnzimmer Im Piepenstock“, Schildstraße 1, nehmen daran auch das Café Kontrast, Alte Benninghofer Straße 13, und die Eisdiele Angelo teil, Schildplatz 9.

Begonnen hat es sehr familiär

Begonnen hat alles in deutlich kleinerem Rahmen – im Haus Rode am Hörder Neumarkt.

In familiärer Atmosphäre hatte Marco Jorge Rudolph 2014 vor allem an den Adventswochenenden zum gemütlichen Nachmittagstreffen eingeladen.
Bei Gebäck und Getränken gab es für die Kinder kleine Geschenke und für die Erwachsenen genügend Zeit zum Plausch, dazu noch Auftritte von Liedermachern und Geschichtenerzählern sowie Lesungen von Autoren. „Das war eine klassische Nachbarschafts-Kulturnummer, die sich schnell professionalisiert hatte.“ Und aus der dann mehr wurde.

So blieb es nicht aus, dass der Macher eine neue Location suchte, in der er dies entsprechend umsetzen konnte.

So zog es ihn nach fünf Jahren vom Neumarkt zum Piepenstockplatz, an dem Hördes Kulturwirt nun seit ebenfalls fünf Jahren zu Hause ist. Und mit ihm seine Kultur, die für ihn jetzt seine Inszenierung, seine Erfüllung ist.